Boris Pistorius ist dieser Tage ein besonders gefragter Minister: Die Zeitenwende, ausgelöst durch den russischen Überfall auf die Ukraine, das 2-Prozent-Ziel der NATO, ganz allgemein die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr und nun kommt auch der in Folge des Hamas-Terrors aufgeflammte Nahost-Konflikt hinzu. Neulich, so scherzt Pistorius vor den rund 300 Besucherinnen und Besuchern in der Bucerius Law School, habe er in einem schwedischen Hotel seinen Morgenkaffee auf Französisch bestellt, weil er irrtümlich annahm, schon in Brüssel zu sein.
Die Termine und Orte wechseln schnell in diesen Tagen. "Wahnsinnig herausfordernde Zeiten" seien das, sagt Pistorius im Gespräch mit Metin Hakverdi. Dennoch sei es gerade jetzt wichtig, ruhig und besonnen zu agieren, "sich nicht verrückt machen zu lassen". Aber Pistorius ist zugleich ein Minister der klaren Worte. Und so entwickelt sich im gut gefüllten Auditorium eine Diskussion mit dem mehrheitlich aus Studierenden bestehenden Publikum.
Wann denn die Regierung das von den NATO-Staaten vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel einhalten werde, fragt ein Besucher: "Schon nächstes Jahr", entgegnet der Minister. Ab 2027/28 beginne die Herausforderung, denn dann sei das 100-Milliarden-Sondervermögen ausgegeben. Pistorius: "Bis dahin braucht es haushaltspolitische Entscheidungen."
Aber, das macht der Verteidigungsminister deutlich, das Geld ist nur die eine Seite: "Unser Mindset, die Mentalität muss sich verändern. Wenn eine ganze Generation keine Erfahrung mit Bedrohung von außen gemacht hat, braucht das seine Zeit." Auf die Frage, ob die Bundesregierung alles für die Ukraine tue, antwortet Pistorius: "Wir können jeden Morgen in den Spiegel gucken und sagen, wir tun alles, was wir für vertretbar halten für den Sieg der Ukraine". Die von Deutschland gelieferten Flugabwehrsysteme "retten jede Nacht und jeden Tag Leben in der Ukraine".
Klare Worte findet der Minister in Richtung derer, die in diesen Tagen den Hamas-Terror gegen die Zivilgesellschaft kleinreden: Wer immer versuche, die Gewalttaten zu relativieren, dem fehle es am notwendigen Anstand. "Für solche Verbrechen gibt es keine Rechtfertigung."
Doch längst nicht alle Fragen aus dem Publikum drehen sich um die aktuellen Krisen: Etwa darum, wie die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver werden soll ("Ich wünsche mir mehr Frauen"), der Kampf gegen rechtsextreme Tendenzen in der Truppe und eine Rückkehr der Wehrpflicht ("Im Augenblick keine Option, weil die Strukturen nicht da sind"). Pistorius antwortet auch hier klar und verbindlich. Das kommt an. Bevor es nach rund einer Stunde Diskussion für den Minister zurück nach Berlin geht, fasst Gesprächspartner Metin Hakverdi die Stimmung im Saal zusammen: "Es ist gut, dass Du in diesen Zeiten Verantwortung für unsere Sicherheit trägst."